13.04.2022

Krümelsuche und Backen gegen die Uhr: Jüdische Gemeinde Hanau informiert über das Pessachfest

Hanau

Die Uhr läuft: Länger als 18 Minuten darf es nicht dauern vom ersten Kontakt von Mehl und Wasser bis zum knusprig-dünnen Brot, genannt Mazze, das aus dem Ofen geholt wird. Warum das so ist, wann genau es verspeist wird und viele weitere spannende Einblicke in den jüdischen Glauben gab es am Dienstagabend im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus bei der Jüdischen Gemeinde Hanau (JGH).

Ab kommenden Freitag feiern Millionen jüdischer Menschen weltweit Pessach. Es ist eines der wichtigsten Feste im Judentum, und doch wissen nicht-jüdische Menschen oft nur wenig darüber, was dabei genau gefeiert wird und wie jenes Fest vonstatten geht. Auf Einladung der Jüdischen Gemeinde Hanau und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit konnten Interessierte jene Wissenslücke nun schließen.

Mendel Gurewitz, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Offenbach, erklärte überaus kurzweilig und mit einem Augenzwinkern die Bedeutung und die Bräuche von Pessach, das auch das „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt wird. Es erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und damit die Befreiung von der Sklaverei. Für jene Reise – „und für eine jüdische Mama ist eine Reise auch eine Reise, wenn sie nur zwei Minuten dauert“, erklärte Gurewitz mit einem Schmunzeln – wollten sich die Israeliten Brot als Wegzehrung mitnehmen, hatten jedoch wegen ihres schnellen Aufbruchs keine Zeit, einen Sauerteig anzusetzen. In Anlehnung daran wird in jüdischen Familien während des Pessachfestes ausschließlich ungesäuertes Brot gegessen.

Doch nicht nur das: Am Vorabend gibt es zunächst einen Frühjahrsputz der besonderen Art. Das ganze Haus wird gereinigt, vor allem aber von verbotenen Speisen befreit, wozu neben Brot auch Nudeln, Kekse oder Alkohol zählen – all das ist „Chamez“, gesäuert also, und davon darf zum Fest nichts, aber auch gar nichts übrig bleiben. „Jeder Krümel wird eingesammelt, da geht es manchmal ganz schön chaotisch zu – und Chametz ist auf jeden Fall schlimmer als das Coronavirus“, erklärte Gurewitz.

Im Schein einer Kerze geht die Familie zum Abschluss dann nochmals gemeinsam auf die Suche nach übersehenen Resten, und die dabei aufgespürten (und vorher eigens versteckten) Brotkrümel werden dann verbrannt.

Am ersten Abend des Festes, dem sogenannten Sederabend, kommt die Familie am festlich gedeckten Tisch zusammen und isst bestimmte symbolische Speisen in einer festen Reihenfolge. So steht beispielsweise Bitterkraut für die bittere Zeit der Sklaverei. Das ungesäuerte Brot symbolisiert Bescheidenheit und Demut.

Ausgerüstet mit diesem Hintergrundwissen ging es für die Besucher anschließend ins Foyer der JGH, das an diesem Tag zur Mazze-Bäckerei umfunktioniert wurde. In 18 Minuten – danach beginnt laut jüdischer Überlieferung der Säuerungsprozess – musste ein Teig angerührt, flache Fladen ausgerollt und gebacken werden. Das Sprichwort, das viele Köche den Brei verderben trifft auf Bäcker und Brote offenbar nicht zu, denn im Teamwork funktionierte alles ganz wunderbar. Nur ein kleiner Defekt in der Stromversorgung am Ofen hätte dem Projekt beinahe, aber eben nur beinahe, einen Strich durch die Rechnung gemacht.

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