Solidaritätsbesuch in der Jüdischen Gemeinde Hanau
Im Gespräch mit Rabbiner Shimon Großberg, Geschäftsführer Oliver Dainow und Irina Pisarevska, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hanau, sagte der Dekan des Kirchenkreises Hanau, er sei dankbar, dass es möglich sei, eine gute Nachbarschaft zu pflegen. „Infolge des Nahostkonflikts ist jüdisches Leben Hass und Antisemitismus ausgesetzt. Dies ist ein unerträglicher Zustand.“ Er wolle deutlich machen, dass Menschen jüdischen Glaubens in Hanau und der Region frei und ohne Angst leben können. Lückhoff versicherte der Jüdischen Gemeinde die Unterstützung des evangelischen Kirchenkreises.
Hass und Antisemitismus sind unerträglich
Geschäftsführer Oliver Dainow dankte herzlich für den Beitrag. „Es ist wichtig für die Glaubensgemeinde, Solidarität zu erfahren. Wir kennen es inzwischen, dass jüdische Menschen und Einrichtungen weltweit immer wieder als Symbol und Galionsfiguren für den Nahostkonflikt Gewalt erleiden. Es ist unerträglich, dass Menschen als verlängerter Arm des israelischen Außenministeriums betrachtet werden und blanken Antisemitismus erfahren. ‚Vergast die Juden! – Scheiß Juden! – Schlagt die Frauen!‘ sind noch die harmlosen Beleidigungen. Es sei indiskutabel, dass dies auf deutschen Straßen skandiert werde. Exemplarisch für die Anfeindungen sei ein Video des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dort habe man sich entschlossen, die verbalen Angriffe öffentlich zu machen. Zwei Minuten lang sind hier Voice-Nachrichten mit verstörendem Inhalt zu hören.
Solidarität und Unterstützung ist wichtig
„Die Jüdische Gemeinde ist froh über die Unterstützung der Kirche und anderer Verbände, denn ein Stück weit fühle man sich in solchen Situationen allein gelassen“, so Oliver Dainow. Er erläuterte, warum Unterstützung von anderen Seiten so wichtig sei. Als Jude hier in Deutschland müsse man häufig zu Israel Rede und Antwort stehen. Viele Jüdinnen und Juden waren selbst noch nie in Israel, haben wenig Verbindung dazu, sie haben keinen politischen Einfluss, sie können nicht wählen. Dennoch sei man gezwungen sich politisches Wissen um den Nahostkonflikt anzueignen um die kursierenden, teils sehr einseitigen Informationen besser einordnen zu können. Dadurch ergreift man häufig Position pro Israel, was wiederum den Eindruck verstärke, dass man bei deutschen Jüdinnen und Juden mit „Israelkritik“, hinter der sich oft mehr als nur eine Kritik an einem demokratischen Staat verbirgt, an der richtigen Adresse sei.
„Antisemitismus ist nicht nur dauerpräsent, er ist zunehmend schlimmer geworden“, erklärte Rabbiner Shimon Großberg. Großberg, der mit seiner Familie vor mehr als zwanzig Jahren nach Deutschland kam, hat diese Veränderungen selbst wahrnehmen müssen. „Wir hätten nicht geglaubt unseren Kindern einmal beibringen zu müssen, ihre Schaufäden hinter der Kleidung zu verstecken oder sicherheitshalber eine Kopfbedeckung über die Kippa zu ziehen“, so Großberg. Der Rabbiner, dessen Glaube sich an seinem Äußeren sofort erkennen lässt, gibt zu bedenken, dass es nur ganz bestimmte Impulse brauche um den Judenhass aufkochen zu lassen. Der Nahostkonflikt sei einer davon.
„Es ist unvorstellbar, dass man bei Unzufriedenheit mit der Politik eines Rechtsstaats die in Deutschland lebenden Menschen dafür verantwortlich mache“, sagt Großberg. Bei jeder Bewegung im Nahostkonflikt sehe man sich jedoch legitimiert, jüdische Menschen und jüdische Einrichtungen zu attackieren und anzugreifen. Dieses irrationale Verhalten sei besonders in diesem Kontext zu beobachten und zeige, wie ausgeprägt der Antisemitismus noch vorhanden sei.
Positives Feedback
In Hanau erlebte man glücklicherweise keine unmittelbare Betroffenheit. Es habe allerdings auch keine Demonstrationen in Hanau oder dem Main-Kinzig-Kreis gegeben, so wie etwa in Frankfurt oder Gießen. Neben den üblichen Hasskommentaren auf Social Media hat die Jüdische Gemeinde jedoch einige Solidaritätsbekundungen aus dem Hanauer Umfeld erlebt. Besonders das Feedback auf die aktuelle Video-Reihe „Jüdische Feiertage erklärt“ war überwiegend positiv, vor Ort gab es hierzu viele erfreuliche E-Mails und Anrufe.
Zeichen der Verbundenheit In die Reihe positiver Zeichen reiht sich die ökumenische Kampagne der Landeskirchen und Bistümer ein, die das Gemeinsame und Verbindende von jüdischen und christlichen Feiertagen und religiösen Festen in den Mittelpunkt stellt. „Spirit, der bewegt – Schawuot beziehungsweise Pfingsten“ ist das aktuelle Beispiel, das Berührungspunkte deutlich macht.
Regelmäßiger Austausch ist ein gemeinsames Anliegen
Shimon Großberg, der als Rabbiner besonders viele Beschimpfungen, Anschuldigungen und böse Wünsche ertragen muss, sagte: „Die Anfeindungen schmerzen. Wir stehen für Frieden und suchen keinen Konflikt. Wir verachten und hassen niemanden. Wenig optimistisch blickt Rabbiner Großberg auf die Situation der Juden weltweit, die vielfach in Furcht leben. Propaganda sei mit seiner Einstellung nicht zu vereinbaren. Die Jüdische Gemeinde brauche und suche den Kontakt auf allen Ebenen. Weiterhin bleibe man mit allen Religionsgemeinschaften im Gespräch, denn man wolle mit allen in Frieden leben. So ist es ein gemeinsames Anliegen von Dekan Lückhoff, und Rabbiner Großberg, sich regelmäßig auszutauschen und unter guten Nachbarn im Gespräch zu bleiben.