Gottesdienste unter Polizeischutz: Solidaritätsbekundung mit der Jüdischen Gemeinde Hanau
Am gestrigen Jahrestag des Attentats auf die jüdische Gemeinde von Halle überreichten Vertreterinnen und Vertreter der Gesellschaft für christlich-jüdischen Zusammenarbeit Hanau im Haus der jüdischen Gemeinde Hanau an der Wilhelmstraße eine Solidaritätsadresse. „Damit wollen wir der jüdischen Gemeinde Hanau sowie allen anderen jüdischen Gemeinden zeigen, dass wir deren Sorgen wegen des anwachsenden Rechtsextremismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft teilen“, erklärte Heinz Daume, Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdischen Gesellschaft Hanau.
Bis gestern hatten bereits fast 260 Personen die Solidaritätsadresse unterzeichnet. Sie ist nun auch im Internet als Online-Petition verfügbar und kann dort weitere Unterstützung erfahren.
Wie berechtigt die Angst vieler jüdischer Mitbürger vor antisemitischen Übergriffen ist, habe nicht nur das Attentat von Halle vor einem Jahr gezeigt, bei dem ein Rechtsextremist ein Blutbad unter der dortigen jüdischen Gemeinde plante, aber an der massiven Holztür der Synagoge scheiterte und letztlich zwei Passanten wahllos erschoss, sondern auch die Attacke am vergangenen Sonntag, als vor einer Synagoge in Hamburg ein jüdischer Student von einem Antisemiten mit einem Spaten niedergeschlagen und schwer verletzt wurde. Daume erklärte, solche Vorfälle zeigten, wie wichtig es sei, jüdische Einrichtungen in Deutschland zu schützen.
In Hanau gehört Polizeischutz vor dem Haus der jüdischen Gemeinde an der Wilhelmsstraße seit dessen Eröffnung im April 2005 zum gewohnten Bild. Immer, wenn dort Veranstaltungen stattfinden, zeigt die Polizei sichtbare Präsenz, so auch gestern bei der Übergabe der Solidaritätsbotschaft. Dafür, so Daume, wolle man der Polizei ausdrücklich Dank aussprechen, sei aber auch gleichzeitig besorgt wegen rechtsextremistischer und antisemitischer Aktivitäten innerhalb des hessischen Polizeiapparates. „Es muss alles getan werden, damit sich alle Bürgerinnen und Bürger auf die Polizei verlassen können“, forderte Daume.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sei aber nicht nur eine Aufgabe des Staates, auch die Zivilgesellschaften und die Kirchen könnten dabei ihren Beitrag leisten. „Etwa indem sie ihre Abscheu gegenüber solchen Taten öffentlich zum Ausdruck bringen und sich in ihrem Lebensumfeld für ein gelingendes Miteinander einsetzen“, so Daume. Letztlich brauche es den mündigen Bürger, der es nicht zulasse, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens, ihrer Volkszugehörigkeit oder ihres Aussehens in irgendeiner Weise attackiert werden.
Irina Pisarevska als Vorsitzender und Oliver Dainow als Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Hanau nahmen die Solidaritätsbekundung dankbar entgegen. „Für uns ist das ein wichtiges Zeichen. Es ist gut zu wissen, dass wir Partner an unserer Seite haben, die wie wir für ein friedvolles Miteinander eintreten wollen“, erklärte Dainow. Auch das Jahr 2020 habe viele besorgniserregende und verstörende Bilder erzeugt, angefangen von dem mutmaßlichen, rechtsextremen Netzwerk NSU 2.0 bei der Polizei über tausende Menschen, die bei den Corona-Demonstrationen hinter Reichkriegsflaggen und mit offenkundigen Neonazis liefen bis hin zum jüngsten Anschlag in Hamburg, so Dainow. Umso wichtiger seien für die jüdischen Gemeinden solche Zeichen der Solidarität.
(Quelle: Hanauer Anzeiger vom 10.10.2020)