28.02.2020

Der Schock sitzt tief: Reaktionen auf den rechtsextremistischen Anschlag

News Hanau

Die Stimmung unter den Hanauer Gemeindemitgliedern wenige Tage nach den rassistisch motivierten Morden beschreibt Oliver Dainow als »bedrückt«.

Schon kurz vor 18 Uhr war der Marktplatz voll. Rund 5000 Menschen versammelten sich nach Schätzungen der Polizei am vergangenen Donnerstagabend in der Hanauer Innenstadt, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen und Anteilnahme mit den Hinterbliebenen des Attentats auf zwei Shisha-Bars auszudrücken, bei dem am Mittwoch vergangener Woche neun Menschen ermordet wurden.

Und sie warten auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Gegen 18.20 Uhr betritt er mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, dem Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Zentralratspräsident Josef Schuster die Bühne.

Urteile Schuster erklärt, es sei ein klares Zeichen gegen rechtsextremistische Taten, dass so viele Menschen gekommen sind. Nach diesem »Geschehen« müsse einmal mehr überlegt werden, ob genug gegen rechte Gewalt getan werde. Er sehe mehr Verantwortung bei den Sicherheitsorganen, aber auch bei der Justiz, und fordert Politik und Zivilgesellschaft nach dem rassistischen Anschlag zum Handeln auf. »Wir haben leider immer wieder Urteile erlebt, die ich für viel zu milde halte bei rassistischen Straftatbeständen.« Es müssten »klar abschreckende Urteile folgen«, sagt Schuster.

Der Zentralratspräsident betont, er sei in Gedanken bei den Opfern. »Es ist davon auszugehen, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte.«

Nach der Mordserie des NSU, dem tödlichen Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 und dem Attentat in Halle an Jom Kippur ziehe sich erneut eine »rechtsextreme Blutspur« durch Deutschland, sagt Schuster. Die Gefahr rechter Gewalttäter sei zu lange verharmlost worden. Er warf Polizei und Justiz vor, »auf dem rechten Auge eine Sehschwäche« zu haben.

Solidarität Der Tag des Attentats gehöre nunmehr »auf immer zu den schwärzesten Tagen in der Hanauer Geschichte«, sagt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky und spricht den Familienangehörigen und Freunden der Opfer sein Mitgefühl aus. Es sei ein wichtiges Zeichen für die Familien, aber auch für die Stadtgesellschaft, dass der Bundespräsident und der hessische Ministerpräsident nach Hanau gekommen sind.

»Dass sie alle da sind, soll all denen, die mit verwirrten Gedanken unterwegs sind, zeigen: Rassismus und Hass gegen Mitmenschen haben keine Zukunft. Wir sind mehr, und wir stellen uns ihnen als überzeugte Demokraten entgegen.«

Steinmeier appelliert, Rücksichtnahme und Solidarität zu zeigen: »Wir stehen zusammen. Wir halten zusammen.« Dies sei das stärkste Mittel gegen den Hass. Der Bundespräsident bezeichnete das Geschehen in Hanau am Mittwochabend als »furchtbar« und als »Terrortat«. Terror bedeute nichts anderes, als »durch Gewalt und Tod Schrecken zu verbreiten, Angst zu machen, uns auseinander zu treiben«.

Rassismus Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die rassistisch motivierten Morde umgehend: »Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft. Und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen. Von den Untaten des NSU über den Mord an Walter Lübcke bis zu den Morden von Halle.«

Auch die israelische Botschaft reagierte: »Wir trauern um die Opfer des schrecklichen Anschlags in Hanau. Wir verurteilen dieses abscheuliche, rassistische, xenophobe Hassverbrechen. Unsere Gedanken und unser tiefes Mitgefühl sind bei den Familien und Freunden der Ermordeten«, heißt es in einem Tweet.

Ebenso drückte das Internationale Auschwitz Komitee sein Entsetzen über die Gewalttat aus. Auschwitz-Überlebende in aller Welt würden in den Morden eine neue Demonstration der Macht rechtsextremen Hasses sehen, »der immer alltäglicher wird und überall auftreten kann«, sagte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Komitees.

Massnahmen Nach der Gewalttat von Hanau äußert sich auch der Jüdische Weltkongress (WJC) »extrem besorgt über die zunehmende Bedrohung von Minderheiten in Deutschland von beiden Seiten der politischen Landschaft«. Die Ereignisse in Hanau seien »nur zwei weitere Beispiele für die rechtsextreme Gewalt gegen jüdische Bürger, Einwanderer und alle Menschen, die möglicherweise nicht zu einer langjährigen und bizarren rassistischen Sichtweise einiger deutscher Bürger passen«, erklärte WJC-Präsident Ronald Lauder am Donnerstag vergangener Woche in New York.

»Gerade Deutschland muss für dieses tödliche und wachsende Problem sensibel sein«, ergänzt er. Nötig seien weitaus wirksamere Maßnahmen von Polizei und Behörden zum Schutz des Lebens der Minderheiten. Aber, so Lauder weiter, »nicht nur Minderheiten sind bedroht«. Diese Verbrechen stellten »die größte Bedrohung für das demokratische Gefüge der deutschen Gesellschaft und das Engagement Deutschlands dar, die Werte zu wahren, die den Kern seiner Nachkriegsidentität ausmachen«.

Der Zusammenhang zwischen Hanau und dem Angriff auf die Synagoge in Halle sei »offensichtlich«, betonte der WJC-Präsident. »Wenn die deutschen Behörden dies jetzt nicht mit strengen Gesetzen und effektiven Strafverfolgungsbehörden aufhalten, wird der Geist der fremdenfeindlichen Intoleranz, der seit 75 Jahren beherrscht schien, wieder losgelassen, und das kann sich die Welt nicht leisten.«

Gemeinde Oliver Dainow vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen und viele Gemeindemitglieder waren bei fast allen Mahnwachen in Hanau dabei, auch bei der am vergangenen Donnerstag, als der Bundespräsident sprach. Die Stimmung unter den Hanauer Gemeindemitgliedern wenige Tage nach den rassistisch motivierten Morden beschreibt Dainow als »bedrückt«. Auch ihn beunruhigt der Zusammenhang zu dem rechtsextremistischen Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019.

»Die Ereignisse in Halle liegen noch nicht lange zurück und waren ein ganz großer Schock, den wir insofern gespürt haben, als Gemeindemitglieder zurückhaltender waren, was etwa den Gottesdienstbesuch betrifft.« Hanau habe damals sofort zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen, erinnert sich Dainow. »Halle ist noch keine 16 Wochen her.« Der Schock sitze tief. »Und jetzt passiert so etwas in unserer Stadt.«

Heute ist der

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