„Man merkte auch ohne die Nachrichten gesehen zu haben, dass etwas nicht stimmte“: Jüdische Gemeinde Hanau schockiert nach dem Angriff in Halle
„Als sich zum gestrigen Mincha (dem Nachmittagsgebet) und dem anschließenden Neilah Gebet (dem Abschlussgebet des höchsten Feiertages) vor der Hanauer Synagoge die Sicherheitsvorkehrungen der örtlichen Polizei drastisch verschärften, konnten wir in der Synagoge nur ahnen, was passiert sein könnte“, sagt Oliver Dainow von der Jüdischen Gemeinde Hanau.
Brutalität erreicht neue Stufe
„Die Unruhe war während des Gottesdienstes deutlich zu spüren.“ Da an Jom Kippur unter anderem ein Arbeitsverbot gilt, hierzu zählt auch das Nutzen von Elektronik, herrschte eine große Ungewissheit im Raum.
„Das volle Ausmaß des gestrigen Tages ist allen Anwesenden erst nach 19.35 Uhr bewusst geworden“, so Dainow. Zu dieser Zeit endete der Feiertag offiziell mit dem Erklingen des Shofars.
Insbesondere die Brutalität des Angriffs habe eine bisher in dieser Form in Deutschland nicht dagewesene Stufe erreicht. Für die Jüdische Gemeinde eine Tendenz, die zwar schockiert, aber nicht ganz unvorhersehbar sei. „Antisemitische und fremdenfeindliche Parolen sind schon lange wieder auf dem Vormarsch. Davor warnen wir nicht ohne Grund“, sagte Dainow.
Der Vorstand der Gemeinde zeigt sich bewegt über die Anteilnahme, die auf verschiedene Art und Weise ausgedrückt wurde. Bereits gestern erreichten die Gemeinde E-Mails, Nachrichten in sozialen Netzwerken und am Morgen wurde sogar ein Blumenstrauß am Hoftor niedergelegt.
Der Oberbürgermeister der Stadt Hanau, Claus Kaminsky, drückte in einem Telefonat mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hanau seine Erschütterung aus und rief zum Handeln auf: „Ich bin ob der Tat von Halle ebenso erschüttert wie empört. Es muss sich im Umgang mit Antisemitismus und rechtem Terror in unserem Land endlich grundsätzlich etwas ändern. Wer immer noch von Einzeltätern spricht, hat nicht verstanden, wie fatal sich der Hass im Internet auswirkt. Es sei erinnert an das Zitat des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass ist, sondern Gleichgültigkeit", wird er in der Mitteilung zitiert.
Vorbereitungen für Fest am Sonntag
Währenddessen wird im Hof der Jüdischen Gemeinde bereits die Laubhütte für das am Sonntag anstehende Sukkotfest (Laubhüttenfest) vom Hausmeister und ehrenamtlichen Helfern aufgebaut. Ein deutliches Signal, dass es weitergeht. „Mit unseren Freunden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hanau haben wir schon lange einen gemeinsam Sukkotabend in der Laubhütte geplant. Dieser findet, wie alle anderen Veranstaltungen auch, selbstverständlich statt. Wir lassen uns nicht unterkriegen“ erklärte Dainow.