„Lange Nacht der Namen“ an der Kopernikusschule: Das Erinnern ist so wichtig wie selten zuvor
Wenn die Schülerinnen und Schüler sich trotz dazwischenklingelnder Schulglocke nicht regen, dann ist es wohl interessant und einprägsam: Dainow gab zunächst einen Überblick über die historische Geschichte der jüdischen Gemeinde in Hanau.
Idee eines jüdischen Staates
Dabei zitierte er sehr eindrücklich aus einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1895, in dem ein Rabbiner vor dem „Unhold“ warnt, gemeint ist der Antisemitismus, „der sich den Weg in unsere Gesellschaft bahnt.“ Dainow erklärte, dass diese Jahre der ersten erneuten Bedrohungen von Jüdinnen und Juden zur Idee der Gründung eines jüdischen Staates geführt haben, die „Idee, einen sicheren Hafen zu haben“.
Der Geschäftsführer zeigte auch den Innenraum der Synagoge. Immer wieder fragte er nach dem Wissen der Jugendlichen oder ihren Ansichten rund um Judentum in Deutschland. Eine Schülerin sagte etwa, sie habe gehört, dass Frauen und Männer in der Synagoge getrennt sitzen würden. Das sei in der orthodoxen Ausprägung des Glaubens so, meinte Dainow, machte aber auch auf einen interessanten Hintergedanken aufmerksam: „Auch Familien sollen nicht zusammensitzen.“ Denn auch für eine Einzelperson, die den Gottesdienst besuche, solle sich angenommen fühlen: „Hier sind wir alle gleich.“ Das sei die Begründung dahinter, ob das Vorgehen sinnvoll sei, darüber lasse sich natürlich diskutieren, sagte Dainow.
Des Weiteren zeigte er an Zahlen auf, dass es sich bei Jüdinnen und Juden um einen zahlenmäßig kleinen Teil inDeutschland handle, etwa 95000 Menschen gehören einer Gemeinde an, 1933 waren es 560000. Obwohl es sich also nur um einen kleinen Teil der Gesellschaft handle, seien Juden in „aller Munde“, so der Geschäftsführer und machte auf einen antisemitischen Vorfall aufmerksam, als Berufsschüler die Schoa beklatscht hatten.
Seit dem 7. Oktober nehme er eine zunehmende Angst bei Gemeindemitgliedern war, so Dainow, betonte aber, dass das seine persönliche Einschätzung sei. Deshalb sei der Nahostkonflikt auch nicht weit weg, er habe Auswirkungen, wenn etwa beim Gedenken für den rassistischen Anschlag in Hanau auf Schildern stehe: „Rassismus tötet von Hanau bis Gaza“. „Was ist das für eine Gleichsetzung? Da verschwimmt eine Linie.“ Auf Letztere solle man auch achten, antwortete er auf die Frage einer Schülerin zur „Isrealkritik“. Dainow fragte zurück, ob es eine Deutschland- oder Irlandkritik im Duden gebe – nein. Als Demokrat sei es für ihn normal, dass sich eine israelische Regierung Kritik gefallen lassen müsse – man müsse sich aber fragen, wann die Regierung kritisiert werde und wann es darüber hinausgehe. „Es ist eine feine Linie, die man sehr gut ausnutzen kann.“
„Every name counts“
Saskia Warburg, die gemeinsam mit Lehrerin Ulla Mohrmann die Veranstaltung organisiert hatte, stellte noch einige Bücher vor, die auch die lokale Geschichte des Judentums in Freigericht zum Thema haben. Auch sie riet den Jugendlichen, immer ganz genau hinzusehen.
Das taten diese dann auch beim Digitalisierungsprojekt: Denn hier muss bei manchen Konzentrationslagerdokumenten ganz genau hingesehen werden. Aufgabe der Arolsen Archives ist die Erinnerung und Aufarbeitung der Nazi-Zeit. Es werdenDokumente zu rund 7,5 Millionen Menschen aufbewahrt – und die Jugendlichen halfen an diesem Tag mit, dieses digitale Archiv weiter auszubauen – gegen das Vergessen.