Ein letzter Zeitzeuge
Erna Scheffler ist die erste Frau gewesen, die als Richterin in das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe berufen worden ist. Vor allem aber war sie eine besonders mutige Frau und Juristin, denn als sie im Jahr 1951 einem der bedeutendsten Gremien der Bundesrepublik beitrat, lagen hinter der Halbjüdin schwere und gefährliche Zeiten im Nationalsozialismus. Scheffler steht stellvertretend für 16 weitere Frauen, die in der Ausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft" des Deutschen Juristinnenbundes porträtiert werden. Zu sehen ist die Ausstellung bis 3. November im Hanauer Landgericht als wesentlicher Bestandteil der Jüdischen Kulturwochen in Hanau.
Alle porträtierten Frauen waren Vorreiterinnen der Gleichberechtigung der Frau im Allgemeinen und in der deutschen Justiz im Besonderen. Während des Nationalsozialismus waren sie Berufsverboten und Vertreibungen ausgesetzt. Einige Vertreterinnen der ersten Juristinnengeneration überlebten den Terror nicht. Scheffler entging dem Tod, weil sie sich bis Kriegsende in einem Gartenhäuschen außerhalb Berlins versteckte. Schon Ende Mai 1945 kehrte sie in den Justizdienst zurück.
Die 17 Juristinnen seien Vorreiterinnen für Frauen in juristischen Berufen und Wegbereiterinnen für die Zukunft, sagte Justizminister Roman Poseck bei der Eröffnung. Die Ausstellung stehe auch für die Grauen des Nationalsozialismus und sie sei ein positives Beispiel für die aktive Erinnerungskultur, die auch durch die Kulturwochen der Jüdischen Gemeinde Hanau gelebt werde. Als besonders wichtiges Beispiel nannte Poseck das für den 19. Oktober um 19.30 Uhr im Kulturforum Hanau geplante Zeitzeugengespräch mit Ivar Buterfas- Frankenthal, einem der wenigen noch lebenden Holocaustzeugen. Geboren wurde er 1933 in Hamburg. Zusammen mit seiner Ehefrau berichtet er seit vielen Jahren an Schulen und Universitäten über den Naziterror, den sie als Kinder erfahren mussten.
Die Jüdischen Kulturwochen finden in Hanau seit der Wiedergründung der Jüdischen Gemeinde zum dritten Mal statt. Nach der Zerstörung durch Pogrome im Spätmittelalter und im Nationalsozialismus begann 2005 der Neuanfang. Heute zählt die Gemeinde rund 200 Mitglieder. Mit den Kulturwochen wurde laut Oliver Dainow, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Hanau, mittlerweile eine kleine Tradition geschaffen, um jüdisches Leben und jüdische Kultur einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die kostenfreien Veranstaltungen, die bis in den Dezember hineinreichen, bildeten ein breites Spektrum ab. Sie reichten von ernsten Themen über Musik bis hin zu heiteren Angeboten, etwa wenn es am 24. Oktober um 19 Uhr im Kulturforum am Freiheitsplatz heißt "Lachen mit Rabbinern". Die Rabbiner Walter Rothschild und Andrew Steiman führen die Zuhörer mit vielen Beispielen in die hintergründige Welt des jüdischen Humors ein.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Kulturwochen steht das Thema Demokratie. Im Jahr der Demokratiebewegung sei es auch in dieser Veranstaltungsreihe an der Zeit, zu reflektieren, Fragen zu stellen und den Status quo zu betrachten, indem die Vergangenheit beleuchtet und daraus Schlüsse für Gegenwart und Zukunft gezogen würden, so Dainow. Eingebunden in die Kulturwochen ist daher das Schulprojekt "Demokratie heute". Es umfasst unter anderem ein Gespräch mit Zeitzeuge Buterfas-Frankenthal, den Besuch der Ausstellung im Landgericht und eine Diskussion der jungen Projektteilnehmer mit Experten zum Thema Rechtsstaat und Demokratie.
Zu einem Tag der offenen Tür lädt die Jüdische Gemeinde für Dienstag, 21. November, von 19 Uhr an ein. In der Synagoge an der Wilhelmstraße 11a sollen die Besucher einen Einblick in das rituelle jüdische Leben erhalten. Am Samstag, 9. Dezember, wird von 19 Uhr an in der Wallonisch-Niederländischen Kirche an der Französischen Allee unter der Überschrift "Gib Licht meinen Augen" an den achtzigsten Todestag der Widerstandskämpferin Sophie Scholl erinnert. Am Reformationstag, dem 31. Oktober, versammeln sich um 19 Uhr in der Katholischen Kirchengemeinde St. Elisabeth an der Kastanienallee Juden und Christen zu einer gemeinsamen Abendandacht. Gelegenheit zu einer Führung über den sonst öffentlich nicht zugänglichen jüdischen Friedhof in Hanau besteht am 15. Oktober von 15 Uhr an. Treffpunkt ist der Eingang am Mühltorweg. Männer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.
Informationen über das vollständige Programm der Jüdischen Kulturwochen Hanau finden sich im Netz unter juedische-kulturwochen-hanau.de. Gruppen, die die Ausstellung im Landgericht besuchen wollen, wenden sich bis zum 3. November an das Büro der Jüdischen Gemeinde Hanau unter 06181/1800761 oder info@jg-hanau.de.
"© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv"