„Von einem Krieg in den nächsten“: der Terrorangriff der Hamas auf Israel hat auch Auswirkungen auf die Jüdische Gemeinde Hanau
Der Schock sitzt tief“, so Oliver Dainow, Geschäftsführer der Gemeinde in Hanau, von der viele Mitglieder Angehörige oder Freunde in Israel haben.
„Es geht darum, eine Panik bei den Gemeindemitgliedern zu vermeiden“, sagt Irina Pisarevska im Gespräch mit unserer Zeitung. Zumal die Hamas für den heutigen Freitag Muslime in der ganzen Welt zu Aktionen und Unterstützung aufgerufen hat.
Die Sicherheitsvorkehrungen bei jüdischen Einrichtungen in Deutschland wurden verschärft. Auch in Hanau gibt es bei Gottesdiensten und Veranstaltungen der Gemeinde eine stärkere Polizeipräsenz. Details will man aus nahe liegenden Gründen öffentlich nicht nennen.
Rund 220 Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde in Hanau, viele der Mitglieder stammen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Mit Beginn des Ukraine-Krieges engagierte sich die Gemeinde, die Kontakte in die Ukraine hält, für Menschen dort, kümmerte sich um Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kamen.
Menschen jüdischen Glaubens aus der Ukraine flüchteten vor Bomben, Zerstörung, Leid und Tod in ihrer vom Krieg geschundenen Heimat aber auch nach Israel –- „im Glauben, dort einen sicheren Hafen zu finden“, so Gemeinde-Geschäftsführer Dainow. Dann kam der Terrorangriff der Hamas mit nicht gekannter Grausamkeit. „Die Menschen kamen von einem Krieg in den nächsten“, sagt Irina Pisarevska.
Die Hanauer Gemeinde pflegt laut Pisarevska in diesen dramatischen Tagen enge Kontakte nach Israel. „Wir überlegen, wie wir helfen können.“
„Die Menschen wollen natürlich wissen und sorgen sich, wie es Verwandten oder Freunden geht“, sagt Oliver Dainow. Er erzählt von Israelis, die angesichts der Zerstörung und der todbringenden Raketenangriffe der Hamas berichten, dass sie sich immer wieder in Schutzbunker flüchten müssen. „Trotzdem sagen sie: ,Wir fühlen uns relativ sicher, weil wir weit weg sind vom Gazastreifen‘“, so der Geschäftsführer. „Das klingt skurril.“ Weit weg vom Krieg? Das ist in Israel, einem Land, das gerade mal so groß ist wie Hessen, kaum möglich.
Irina Pisarevska sorgt sich auch um Tante und Onkel, die in Israel leben. Beide sind fast 80. Sie hätten „riesige Angst vor den Bombardierungen“ und berichten, dass es „gefährlich ist, überhaupt aus dem Haus zu gehen“. Die betagten Verwandten könnten nicht reisen. Andere wollten indes aus Israel nach Deutschland kommen, hätten aber Probleme gehabt, Flüge zu bekommen, weiß Pisarevska von einer Mitarbeiterin, deren Angehörige hierher ausreisen wollten. Die von der Bundesregierung organisierten Flüge aus Israel begannen erst gestern.
Auch wenn die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Hanau verunsichert sind, mitunter Angst haben und nicht wissen, wie es weitergeht – öffentliche Anfeindungen oder gar Übergriffe habe es nicht gegeben, sagt Oliver Dainow. Zum Glück. Die Gemeindemitglieder gingen aber im Vergleich zu vorher mit einem unsicheren Gefühl etwa zu den Gottesdiensten. Irina Pisarevska; „Wir sind vorsichtig.“
Man bewerte „jeden Tag die Lage neu“, sagt Oliver Dainow. Alles in Absprache mit der Polizei. Zu ihr gebe es gute Kontakte. Den Ordnungshütern und auch der Stadt Hanau spricht die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde denn auch Dank aus.