Der Weg in die Ewigkeit: Rabbiner Andrew Steiman gibt Einblick in jüdische Bestattungsriten
Diese und mehr Fragen beantwortete Rabbiner Andrew Steiman im Rahmen der jüdischen Kulturwochen am Dienstagabend bei einem Vortrag über jüdische Bestattungsriten in der Trauerhalle auf dem Friedhof in Kesselstadt mit Herz und Fachlichkeit, aber auch mit einer Prise Humor.
Andrew Steiman ist Rabbiner der Henry und Emma Budge-Stiftung in Frankfurt, dem einzigen jüdisch-christlichen Altenheim bundesweit. Als solcher gehöre es dazu, dass er öfter auf Friedhöfen anzutreffen sei als auf dem Tanzparkett. Mit der Chewra Kadisha, der Beerdigungsgesellschaft, die sich der rituellen Bestattung der Verstorbenen widmet, hat er dabei einen festen Brauch: „Wir verabschieden uns nicht, ohne dass auch einmal gelacht wird“. Ein Grundsatz, den er auch in seinen Vortrag mitbrachte. „Sich über den Tod zu unterhalten, ist in vielen Kulturen ein Tabu“, weiß Steiman. Dies sollte es aber nicht sein. Als Seelsorger wisse er, dass viele Menschen Angst vor dem Tod hätten. Eine Angst, die sie nicht leben lasse. „Der Tod ist eine Nacht zwischen zwei Tagen“, erklärt er. Nach der jüdischen Überzeugung sei die Nacht dazu da, dass die Seele sich erneuern könne. Man lege sie in die Hände des Schöpfers und bekomme sie am nächsten Morgen erfrischt zurück. „Die Seele ist ewig, der Körper, in dem wir leben vergänglich.“ So sei der Tod nichts Böses, sondern einfach ein Teil dieser Welt, mit dem man leben müsse. Der Grundsatz, dass die Seele ewig sei, finde sich auch auf jüdischen Friedhöfen wieder: Hier sind die Gräber ebenfalls ewig. Dies zu gewährleisten sei eine der wichtigsten Aufgaben einer jüdischen Gemeinde.
Zu jedem jüdischen Friedhof gehöre es, dass man sich dort die Hände waschen könne. „Wasser ist Leben“, erklärt er. Und die jüdischen Bestattungsriten stammen nicht nur aus einer Zeit, die sehr lange zurückliege, sie kommen auch aus einem sehr heißen Land. Wenn jemand stirbt, gehe es immer darum, den Verstorbenen zu ehren. Dabei wolle man alles vermeiden, was diesem peinlich sein könnte. Das gilt auch für die Entstehung von Körpergeruch nach dem Tod. Deshalb finden jüdische Beerdigungen so schnell wie möglich statt. Diese könne sich dabei aber von Gemeinde zu Gemeinde durchaus unterscheiden, wie Steiman erklärt. „Es kommt drauf an, woher jemand kommt und welcher Tradition er folgt.“ Auch die Vorgaben der örtlichen Behörden spielen eine Rolle, was sich beispielsweise an der Verwendung von Särgen zeige. In vielen Teilen der Welt finden diese bei jüdischen Bestattungen keine Verwendung. Hier werden die Verstorben lediglich in einem Leinentuch beerdigt. Es gelte der Grundsatz, sich dort, wo man Lebe, auch der Mehrheitsgesellschaft anzupassen. „In diesen Breiten heißt das: Wir nehmen einen Sarg, der aber so einfach ist wie möglich.“ In Frankfurt nenne man diesen auch augenzwinkernd „Rothschild-Sarg“, denn selbst jemand sagenhaft reiches liege am Ende im gleichen einfachen Sarg.
Bräuche und Symbolik
Mit Blick auf die biblische Geschichte und die Zeit der Gefangenschaft im alten Ägypten erklärte der Rabbiner, welche Grundlage sich hinter der jüdischen Bestattungskultur verbirgt und warum diese auch ein Symbol der Freiheit darstelle. Er verriet außerdem, was es mit dem Brauch auf sich habe, beim Besuch eines jüdischen Grabes einen Stein mitzubringen und dort abzulegen, der ebenfalls auf die Zeit des Auszuges aus Ägypten zurückgehe. So seien auch während der 40-jährigen Wanderschaft durch die Wüste Menschen gestorben und beerdigt worden. Die Gräber seien damals jedoch häufig geschändet worden. Zum Schutz davor habe man Steine auf ihnen abgelegt. „Der Tote kann sein Grab nicht mehr beschützen, das müssen die Lebenden machen“, so Steiman. Auch wenn die Steine seit damals kleiner geworden sind, ist dieser Brauch geblieben. Während Blumen vergehen, bleiben diese Steine liegen.
Totenwache, Waschung, Trauerreden: Anschaulich und mit vielen Beispielen erläuterte der Rabbiner die üblichen Abläufe im Todesfall. Er erklärte, warum den Angehörigen bei der Beerdigung das Hemd eingeschnitten wird und warum der Sarg auf dem Weg zum Grab insgesamt drei Mal abgesetzt wird und wann das erste Kaddisch gesprochen wird. Auch wie die Zeit nach der Beisetzung ablaufe und die siebentägige Trauerwoche, die sogenannte Shiwa, aussehe, verriet er den interessierten Zuhörern, die anschließend gerne die Gelegenheit für weitere Fragen nutzten. Mit seiner sympathischen und humorvollen Art schaffte Steiman es dabei, die eigentlich schweren Themen Tod und Trauer so zu transportieren, dass der Abend wie im Flug verging und keine Schwermut in der kleinen Trauerhalle aufkam. Auch der ein oder andere Witz durfte dabei nicht fehlen und wechselte sich stets passend mit Inhalten aus Glauben und Brauchtum, aber auch dem Blick auf Geschichte und Politik, ab. Ein rundum interessanter Abend mit vielen spannenden Einblicken.