Neuer Platz für die ewige Ruhe: erstmals seit dem 17. Jahrhundert wieder ein jüdischer Friedhof in Hanau eingeweiht
Statt an allen sieben Runden um die knapp 1300 Quadratmeter große Rasenfläche teilzunehmen, waren sie eingeladen, lediglich bei der letzten mitzugehen, wieder unter dem schier atemlosen Verlesen von religiösen Texten. „Der jüdische Friedhof ist eingeweiht“, schloss Neumann im feierlichen Ton nach Runde sieben. So sieht es das Judentum vor. Das Gräberfeld für Menschen mit jüdischen Glauben befindet sich auf dem neuen Kesselstädter Friedhof.
Seit 2005 hat Hanau wieder eine jüdische Gemeinde – 60 Jahre nach Ende des Holocaust in Deutschland. Mittlerweile zählt die Gemeinde 206 Mitglieder, sagte Geschäftsführer Oliver Dainow unserer Zeitung. Es sind überwiegend Jüdinnen und Juden, die aus Russland kamen. Schon bei der Gründung sei klar gewesen, dass nicht nur ein Gemeindehaus nötig sei, sondern auch ein neuer Friedhof für Juden. Die Kapazität der noch offenen jüdischen Gräberstätte in der Steinheimer Odenwaldstraße war bereits damals absehbar begrenzt. Im vergangenen Jahr sei die Gemeinde dann mit dem Wunsch an die Stadt herangetreten, nun eine neue Fläche für Bestattungen zu erhalten, so Dainow.
Jacob Gutmark vom Vorstand des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen dankte dem Magistrat der Stadt „für die mutige Entscheidung“. Eine Entscheidung, „die heute nicht selbstverständlich ist“, betonte er. Es dürfe nicht selbstverständlich sein, dass es Mut bedürfe um einen jüdischen Friedhof auszuweisen, sagte darauf Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) in seiner Rede. „Für das Miteinander ist der heutige Tag ein bedeutender Tag, auch für die Zukunft“, hob der OB hervor.
Jüdisches Leben hat in Hanau eine lange Geschichte. Zuletzt wurde in Hanau ein Friedhof für Juden im 17. Jahrhundert eingeweiht, er liegt an der Mühltorstraße. Dort erfolgten bis 1938 Bestattungen. Der neue Friedhof wurde auf einstimmigen Stadtverordnetenbeschluss dem Landesverband übereignet. Das städtische Friedhofsamt kümmert sich um die gärtnerischen Belange.
Mangels Erweiterbarkeit in Steinheim wurde bereits vor Jahren der Kesselstädter Friedhof als eine mögliche Option genannt. Allerdings verlangt der jüdische Glaube bestimmte Voraussetzungen, etwa die Ausrichtung nach Jerusalem und dass es sich um unberührte Erde handelt, also dort zuvor keine Toten begraben wurden. Überdies muss ein ewiger Bestand gesichert sein. Jüdische Gräber werden nie abgeräumt, um etwa Platz für Neue zu schaffen. Das Areal liegt im nördlichen Zipfel des Kesselstädter Friedhofs, umrandet von Bäumen und einem mannshohen grünen Zaun, der jedoch nicht besonders bewehrt ist. „Der Zaun dient weniger der Sicherheit. Er entspricht dem jüdischen Ritus, einen Friedhof abzugrenzen“, sagt Dainow. Die Fläche sei ausreichend für rund 160 Gräber. Mit der Integration in einen Friedhof ergebe sich nun der Vorteil, dass die Öffnungszeiten des jüdischen Friedhofs mit denen der Gesamtanlage gleich seien. In Steinheim müsse immer zuerst ein Schlüssel geholt werden. Ein Gebäude für die Totenwaschung durch die heilige Bruderschaft gibt es jedoch nicht. Dazu sei die Hanauer Gemeinde auch nicht groß genug, heißt es. Dieser Dienst erfolge weiterhin in Darmstadt, so Dainow. Aber noch ist keine jüdische Bestattung in Kesselstadt absehbar. Gemeinderabbi Großberg bemerkte, dass man darauf gerne lange warte.